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Leben mit Pflegedienst

Geschrieben von Simone Lechner

Kurz vor dem ersten Geburtstag meiner Tochter mit sehr seltenem Gendefekt, kam es zu einer Notsituation ab welcher sich unser Leben, nochmals, drastisch ändern sollte. Nach einem langen intensiven Krankenhausaufenthalt, Zeiten des Bangen und der Sorge, konnten wir endlich aus dem Krankenhaus entlassen werden und mit uns durften nun einige neue „Mitbewohner“ in unser Zuhause kommen. Ab da begann also unser Leben mit Pflegedienst. Nachdem ich vor dem Krankenhaus eine extreme Situation mit meiner Tochter erlebt hatte, war es auf der einen Seite eine enorme Erleichterung für mich, zu wissen, dass da eine Fachperson an meiner Seite ist, die die Verantwortung für das Leben meiner Tochter mit mir trägt. Gleichzeitig war es nach Wochen, Monaten, die wir nicht zu Hause waren überfordernd und anstrengend für uns alle, dass da eben gleich der Pflegedienst parat stand, eingearbeitet werden musste und eben immer da war. In unserer ersten Zeit mit Pflegedienst lebten wir in einer drei Zimmer Wohnung, mit offenen Wohn-Ess-Küchenbereich und zwei Zimmern (Eltern-Schlafzimmer und Kinderzimmer). Der erste verändernde Schritt war schon der, dass wir das Beistellbett unserer kleinen einjährigen Tochter umbauen mussten. Ab jetzt musste Sie im eigenen Zimmer schlafen. Denn auch nachts kam ja nun immer eine Pflegekraft, um Sie zu überwachen. Klar hätten wir Sie bei uns immer Zimmer lassen können, der Sinn des Pflegedienstes in der Nacht, nämlich dass wir schlafen können, wäre dann aber weit verfehlt. Also loslassen. Kind abgeben, in zunächst fremde Hände.

Ich weiß noch genau wie schwer es mir am Anfang fiel zu schlafen und nicht immer mit einem Ohr im Nebenzimmer zu sein. Fast noch schwieriger gestalteten sich für mich als Mama, die gerade in Elternzeit war, aber die Tage. Denn klar hatten wir auch tagsüber Pflege mit da. Das wollten wir auch so, die Angst nach dem Notfall mit unserer Tochter, die intensive Betreuung, die nun notwendig war, wäre für mich allein nicht machbar gewesen. So gab es also auch hier diese Zwiespältigen Gefühle in mir. Auf der einen Seite Dankbarkeit, dass da jemand war, der da war, der sich mit kümmerte, die Verantwortung mit mir trug. Auf der anderen Seite diese Traurigkeit, die Wut, der Frust, dass da nun Jemand zunächst fremdes immer mit dabei sein musste. Es keine Zeit mehr allein mit meiner Tochter gibt. Die Pflegekräfte kommen, um zu arbeiten, um mich zu entlasten, sich um meine Tochter zu kümmern, also was sollte ich dann eigentlich in der Zeit tun?

Tatsächlich musste ich mich in dieser Situation komplett neu finden und muss es bis heute noch an manchen Tagen. Abwägen was will ich gerade eigentlich? Will ich Zeit allein haben mit meiner Tochter und schicke die Pflegekraft dann vielleicht als „Back up“ ins Nebenzimmer, oder erlaube ich mir mich einfach eine Stunde hinzulegen und meine Tochter der Pflegekraft zu überlassen. Bin ich dann eine schlechte, oder sogar gute Mutter? Ich kann mich auch an Situationen erinnern, da hatten mein Mann und ich gerade einen Streit, als es an der Tür klingelte und die Pflegekraft zum Dienst antreten wollte. Ja was macht man da? Runterschlucken? Weiterstreiten? Oftmals keine leichte Situation. Oder auch an Tagen als bei mir die Traurigkeit wieder sehr präsent war und ich das Gefühl hatte trotzdem freundlich sein zu müssen. All das war ein Lernprozess und ist es immer wieder nach wie vor. Aber was überwiegt ist bei alledem die Dankbarkeit, denn nur durch den Pflegedienst, habe ich die Möglichkeit meine Tochter überhaupt mal fremdbetreuen zu lassen.

Bei einem intensiv pflegebedürftigen Kind kann man meist nicht einfach die Großeltern zur Betreuung nutzen, Freunde, Verwandte. Da braucht es zur Betreuung Fachpersonal. Also haben wir gelernt diese als unsere professionellen Babysitter, Tanten und Onkel zu sehen. Die sich liebevoll und fürsorglich aber eben auch mit der notwendigen Fachlichkeit um unsere Tochter kümmern können. Sodass wir nun beispielweise einen festen Abend etabliert haben, an dem unser Nachtdienst früher kommt, so dass wir als Paar Zeit für uns haben. Ich habe gelernt die Zeiten, wenn tagsüber eine Pflegekraft da ist auch für mich zu nutzen. Zudem hatten wir bisher das Glück, dass wir gerade im Tagdienst lange Zeit die gleiche Pflegekraft hatten, die zur Bezugsperson für unsere Tochter wurde und für mich fast wie eine Freundin. Denn wo Menschen zusammenkommen, menschelt es eben auch, da muss die Chemie stimmen, wenn Jemand so nah in deinem privaten Alltag involviert ist. Meistens hatten wir da bisher Glück. Nicht immer. Doch auch das hat mich gelehrt Grenzen zu setzen, Grenzen wahrzunehmen und auf meine Bedürfnisse zu achten. Unser Weg ist es die Dinge positiv zu sehen, sie bestmöglich ins positive für uns zu drehen.

Nicht immer ist das Leben mit Pflegedienst leicht, doch wir brauchen sie, sind sogar oft abhängig von Ihnen. Beispielsweise um Arbeiten gehen zu können. Für uns heißt das also, Annehmen und sie zu unserer Verbündeten machen. Schon zweimal konnten wir nun sogar dank Pflegedienst mit unserer Tochter in den Urlaub fahren und hatten dort dann auch noch das Glück einen Tag zu zweit, als Paar eine Wanderung machen können. Leben mit Pflegedienst bedeutet einen Einschnitt in die Privatsphäre, in die Selbstbestimmung und dennoch bietet es so viel Raum und Möglichkeiten, wenn man bereit ist es als Geschenk zu sehen, dass es diese gibt. Wenn Ihr ein Kind habt, dass einen erhöhten Betreuungsaufwand hat, in welcher Form auch immer, scheut euch also nicht davor euch um einen Pflegedienst zu kümmern. Bettina von der Beratungsstelle von mein Herz lacht kann euch sogar bei der Suche unterstützen. Denn das Leben mit Pflegedienst bietet einem auch die Chance wieder mehr Lebensqualität zu erfahren.

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