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Paarbeziehung braucht gegenseitige Wahrnehmung und Wertschätzung

Paarbeziehung braucht gegenseitige Wahrnehmung und Wertschätzung

Wer permanent auf Hochtouren läuft, dem platzt irgendwann der Kragen. Je größer die Belastungen im Alltag, desto schwieriger ist es, noch Zeit für sich selbst oder als Paar zu finden. Kein Wunder, dass die Scheidungsrate von Paaren mit beeinträchtigten Kindern deutlich über dem Durchschnitt liegt. Vor allem, wenn Großeltern weit entfernt wohnen und auch sonst keine Hilfe in Sicht ist. Dann heißt es nur noch, den Bedürfnissen aller Kinder gerecht werden und im Beruf funktionieren. Eine Mutter erzählt, wie es trotzdem gelingen kann, im durchgetakteten Alltag die Beziehung zu pflegen.

Warum die richtige Kommunikation so wichtig ist

„Wir haben uns zerfleischt!“ Unser Sohn hatte bei der Geburt einen Sauerstoffmangel erlitten und musste wiederbelebt werden. Sein Gehirn nahm Schaden und er blieb motorisch stark eingeschränkt. Das hat unser Leben auf den Kopf geworfen. Vorher waren wir ein harmonisches Paar, doch auf einmal stritten wir wegen Kleinigkeiten. Unsere Nerven lagen blank – wir waren einfach überfordert. Mit all dem standen wir komplett allein da. Und irgendwann war der Stress einfach zu viel. Statt uns gegenseitig Mut zuzusprechen, haben wir uns angegiftet. Es war nicht schön, doch keiner von uns hatte die Kraft, aus diesem Teufelskreis auszubrechen. Weil wir beide am Ende waren.

Das Gespräch auf der Bank
Bis wir bei einem Therapeuten lernten, über unsere Gefühle zu sprechen. Dort bekamen wir auch zum ersten Mal den Tipp, dass wir nicht alles allein schaffen müssen. So sind wir auf die Lebenshilfe aufmerksam geworden und nun nimmt uns eine Mitarbeiterin unseren Sohn für ein paar Stunden die Woche ab. Die haben wir genutzt, um uns ganz in Ruhe zu unterhalten. Wir sind an einen schönen Ort gefahren, so wie früher. Haben uns etwas zu essen besorgt und uns auf eine Bank gesetzt. Dann hat einer nur erzählt und der andere zugehört. Ohne zu verurteilen oder zu kommentieren. Anschließend haben wir die Rollen getauscht. Schon allein auszusprechen, was in uns vorging und die Perspektive des anderen zu hören, hat uns einander wieder nähergebracht. Auf einmal merkten wir, dass wir uns gar nicht so sehr voneinander entfernt hatten.

Zuhören und austarieren
Mit der Zeit sprachen wir nicht nur darüber, wie es uns ging, sondern auch darüber, was wir anders machen wollten. Wir hörten gegenseitig unsere Vorschläge an und ließen sie sacken. Jeder dachte in Ruhe darüber nach, ob sich die Wünsche des anderen erfüllen ließen und was das bedeuten würde. Es war ein vorsichtiges Austarieren. Doch weil wir uns zwangen, nicht spontan zu reagieren, sondern die Bedürfnisse des anderen erst einmal nur aufzunehmen, konnten wir besser damit umgehen.

Unser neuer Weg
Es machte einen riesigen Unterschied. Natürlich läuft auch jetzt im Alltag nicht alles rund. Nach wie vor gibt es Konflikte. Aber wir haben einen Weg gefunden, damit umzugehen und unsere Partnerabende sind uns mittlerweile heilig. Auch wenn sie seit der Geburt unserer Tochter weniger geworden sind. Doch beide Kinder spüren, dass es uns besser geht, und geben uns so viel zurück. Wieviel ein paar ruhige Stunden doch bewirken können. Wir haben auch gelernt, uns ein Netzwerk aufzubauen, damit wir ein Netz haben, das uns auffängt, wenn alles ins Wanken gerät oder jemand dringend eine Auszeit braucht.

Der Austausch mit anderen Eltern
Was uns besonders guttut ist der regelmäßige Austausch mit anderen Eltern. Seit wir die Webmeetings von Mein Herz lacht entdeckt haben, sitzen wir einmal im Monat gemeinsam vor dem Computer. Weil sie online ablaufen, können wir beide von zuhause aus daran teilnehmen. Einer von uns kann sich immer mal wieder ausklinken und nach den Kindern schauen, so dass wir keinen Babysitter brauchen. Zu sehen, dass wir mit unseren Problemen nicht allein sind, tut sehr gut und es ist inspirierend zu erfahren, wie andere Paare mit ähnlichen Situationen umgehen. So sind wir schon auf neue Lösungen gekommen, die uns allein nicht eingefallen wären. Und die anderen Eltern kennen sich auch mit Unterstützungsmöglichkeiten aus, von denen wir noch nie gehört hatten. Das ist eine echte Bereicherung für uns und es geht Stück für Stück aufwärts.

Wie eine Doppelspitze im Unternehmen
Eltern mit pflegebedürftigen Kindern befinden sich in der Rush-Hour des Lebens. Vor lauter Organisation fragen sie sich nicht mehr, wie es ihnen als Paar geht. Doch selbst das beste Unternehmen läuft nicht rund, wenn sich die geschäftsführende Doppelspitze nicht regelmäßig abstimmt und an der gemeinsamen Vision arbeitet. Dafür sind kurze und längere Gespräche unerlässlich. Ohne sie gibt es keine Innovationen und die Mitarbeiter fühlen sich nicht mehr sicher. Genauso ist es auch in der Familie: Sie braucht Prozesse, damit sie stabil bleibt.

Regelmäßige „Führungskräfte-Meetings“
Es ist wichtig zu wissen, dass Strukturen, die sich etabliert haben, nicht gesetzt sind. Wenn sich die Umstände ändern, dürfen sich auch die Rollen verändern. Oftmals muss eine ganz neue Vision eines Familienglücks gefunden werden. Das funktioniert nur gemeinsam – und wenn sich Mama und Papa einig sind. Sie sind die Chefs in der Familie und stehen an oberster Stelle. Nur wenn es ihnen gut geht, geht es der ganzen Familie gut. Denn die Chefs sorgen für das Wohlbefinden aller. Das können sie aber nur, wenn sie regelmäßige Führungskräfte-Meetings abhalten und klären: Was ist uns wichtig? Welche Regeln sind uneingeschränkt bei uns in der Familie einzuhalten? Wo sehen wir Potential für Veränderungen?

Auszeiten organisieren
Väter stehen dabei nicht am Rand, auch wenn sie die Beeinträchtigung eines Kindes oft anders verarbeiten als Frauen. Sie teilen die Last im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Umso wichtiger ist es für Familien mit besonderen Belastungen, sich Auszeiten zu organisieren, meist durch professionelle Dienste. Sie müssen sich Zeit nehmen auszutarieren, wie sie die immer neuen Herausforderungen am besten meistern können, ohne dass die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu kurz kommen.

Tipps in Kürze

  • Verschafft euch Zeit zum Reden, etwa mithilfe externer Dienste
  • Baut regelmäßige Gespräche in euren Alltag ein
  • Hört dem Partner zu und reagiert nicht spontan
  • Nehmt die Wünsche des jeweils anderen wahr
  • Sucht gemeinsam in entspannter Atmosphäre nach Wegen, bei denen kein Familienmitglied zu kurz kommt

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