Neid und Verletzung
Es sind achtlos dahingesagte Sätze oder Aussagen, bei denen uns innerlich der Kragen platzt oder wir uns am liebsten die Decke über den Kopf ziehen würden. Sie können uns völlig aus dem Konzept bringen. Vor allem wenn wir das Gefühl haben, niemand würde unsere Kinder so annehmen, wie sie sind. Was können wir tun, wenn wir uns gekränkt fühlen oder neidisch auf andere Eltern mit gesunden Kindern schauen?
Wenn achtlose Sätze wirken wie ein Schlag in die Magengrube
Was mir am meisten zu schaffen machte, waren die Blicke auf den Spielplatz, wenn wir uns doch mal dorthin gewagt hatten. Dort wurden mir Sätze entgegengeschleudert, die mich schlucken ließen. Mir fiel keine passende Antwort ein und ich hätte mich am liebsten in mein Schneckenhaus verkrochen. Eine Stimme in meinem Kopf sagte mir: „Mach dich ganz klein, so klein, wie du dich fühlst.“
Warum ich mich als Versagerin fühlte
Mit Schrecken entdeckte ich, dass ab und zu neidisch auf andere Familien mit gesunden Kindern hinüberblickte. In mir stieg das Gefühl auf, meine Tochter verstecken zu müssen. Gleichzeitig wollte ich sie beschützen und vor Anfeindungen bewahren. Irgendwann kam ich mir nur noch wie eine Versagerin vor und fühlte mich klein und hilflos. Ich war keine dieser modernen, leistungsfähigen und stets liebevollen Mütter, sondern spulte meinen Alltag ab wie ein Uhrwerk. So zog ich mich immer mehr zurück und fühlte mich wie eine hässliche Hyäne, mit der niemand etwas zu tun haben wollte.
Wie ich meine Gefühle veränderte
Erst im Gespräch mit einem Therapeuten wurde mir klar, dass ich etwas an meinen Gefühlen verändern konnte. Meine Gedanken bestimmten, wie ich mich fühlte. Zuerst gab er mir die Aufgabe, mir positive Momente in Erinnerung zu rufen. Momente, in denen ich stark gewesen war. Nun sollte ich mir ein Tier vorstellen, das dieses Gefühl verkörperte. Sofort kam mir ein wunderschönes, muskulöses, stolzes Pferd in den Sinn – mein Krafttier. Jedes Mal, wenn mir nun jemand einen dieser Sätze entgegenschleuderte, hielt ich inne und überlegte, wie das Pferd in mir nun dastehen würde. Und ich spürte es! Mit stolzem Blick und geradem Rücken. Je öfter ich diese Übung wiederholte, umso besser gelang es mir, mit schwierigen Situationen umzugehen. Ich wurde von der Hyäne zu einem starken Pferd. Denn mir war klar geworden, dass mein Gegenüber immer nur so mächtig war, wie ich ihm Macht über mich gab.
Mein neuer Blickwinkel
Und noch etwas hatte ich gelernt: Nämlich, dass es im Leben nicht nur den Mainstream gibt und ich einen Vergleich nicht nötig hatte, um meinen Selbstwert zu finden. Dabei hat mir auch mein Glaube geholfen. Schon Jesus Christus hat mit den ausgegrenzten, ungewöhnlichen oder schwachen Menschen gesprochen und sie so akzeptiert, wie sie waren. Weil jeder Mensch richtig und wertvoll ist. Allmählich begann ich, unseren Alltag aus diesem wohlwollenden Blickwinkel zu sehen.
Nicht mehr um Antworten verlegen
Mithilfe meines Therapeuten legte ich mir außerdem Hilfssätze zurecht, die ich bei übergriffigen Ratschlägen oder unachtsamen Kommentaren einfach hervorholen konnte. „Liebe Sandra, ich möchte heute einfach nur eine gute Zeit mit dir verbringen und positive Gespräche führen. Ich möchte nicht über meine Tochter und das ganze Drumherum sprechen.“
Mich trifft keine Schuld
Je mehr ich reflektierte, desto mehr konnte ich meine Perspektive verändern. Und sehen, dass mich als Mutter keine Schuld traf. Ich hatte nichts falsch gemacht und unsere Tochter war nun einmal, wie sie war. Je älter sie wurde, desto mehr Verantwortung konnte ich abgeben, um sie darauf vorzubereiten, vielleicht doch eines Tages auf eigenen Beinen zu stehen. Ich fand eine Balance zwischen zu viel und zu wenig Unterstützung und nahm mich selbst in Situationen immer besser wahr.
Schaff dir deine Insel
Häufig fühlen wir uns überfahren, bedrängt, genervt, überfordert und verlieren den Blick auf uns selbst. Wer sich selbst schützen möchte oder die eigenen Grenzen besser wahrnehmen will, um den Einfluss negativer Kommentare zu vermindern, kann sich gedanklich auf eine Insel begeben. Um die Insel herum gibt es andere Inseln mit anderen Menschen, doch es ist unmöglich, eine dieser Inseln zu betreten oder sie zu verändern. Das Einzige, was wir tun können, ist unsere eigene Insel so schön und stark wie möglich zu gestalten und gegen Sturmfluten zu sichern. Niemand anderes kann unsere Insel pflegen, nur wir selbst.
Fahr deine Klappbrücke ein
Mit einigen der anderen Inseln stehen wir gerne in Verbindung, während andere ein ungutes Gefühl in uns hervorrufen. Zu den geliebten Inseln dürfen wir dicke und stabile Brücken aus Stein bauen, die Zusammenhalt und Freude verbreiten. Bei unliebsamen Inseln in Sichtweite, die wir nicht aus unserem Leben entfernen können, dürfen wir auf das Mittel der Klappbrücke zurückgreifen. Kontakte sind möglich, aber sie müssen nicht so dick ausgebaut werden. Wird es uns zu viel, können wir innerlich die Klappbrücke hochziehen und so leichter die emotionale Distanz wahren.
Ziehe Grenzen
Mit diesem Bild der Insel können wir den Blick auf unsere eigenen Bedürfnisse lenken und erkennen, wie wir handeln können. Wir haben es selbst in der Hand, zu wem wir Kontakte ausbauen und zu wem nicht. Und können uns gegen Sturmfluten schützen, indem wir uns vorbereiten und rechtzeitig die Sandsäcke aufbauen. So hilft das Inselbild dabei, eigene Grenzen zu ziehen, aber auch Situationen aus einer neuen Perspektive zu bewerten.
Richte dein Teleskop neu aus
Reflektiere, warum dich Kommentare oder Äußerungen so sehr verletzen und welche Gedanken sie in dir triggern. Könnte die Äußerung auch ganz anders gemeint sein? Bist du neidisch, weil du dir ein anderes Leben vorgestellt hast? Oft kommen unerwünschte Gefühle auf, wenn du Erwartungen an dich selbst oder an andere nicht erfüllen kannst. Versuche stattdessen, dein Teleskop neu auszurichten und deinen Blick auf etwas anderes zu richten. Die schönen Muscheln am Strand, der Sand unter deinen Füßen, die schönen Momente in deinem Leben. Wenn du deine Erwartungen veränderst, können dir Sätze oder Blicke anderer nicht mehr so viel anhaben.
Tipps in Kürze
- Andere haben nur so viel Macht über dich, wie du ihnen gibst
- Werde dir bewusst, was du beeinflussen kannst und was nicht.
- Wappne dich mit zurecht gelegten Sätzen gegen unschöne Kommentare
- Reflektiere deine Bedürfnisse und kommuniziere sie klar
- Fühl dich in schwierigen Situationen in dein Krafttier hinein
- Stelle dir vor, du bist auf einer Insel inmitten einer Inselgruppe und kannst nicht beeinflussen, was auf den Nachbarinseln geschieht
- Du entscheidest, zu welchen Inseln du stabile Brücken bauen möchtest und zu welchen nur eine einziehbare Klappbrücke
„Ändere, was du ändern kannst. Akzeptiere, was du nicht ändern kannst.“